Ich spüre einen Ruf, den Gott in mich hineingelegt hat

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Christus hört nicht auf, Menschen in seine Nachfolge und zur Verkündigung seines Reiches zu berufen

Satzungen & Regeln, 52

Kurzbiographie

Pater Norbert Wilczek OMI wurde 1978 in Bochum geboren. Er trat 2003 der Kongregation der Oblaten der Makellosen Jungfrau Maria bei. 2008 legte er die ewigen Gelübde in Rom ab und empfing im gleichen Jahr die Priesterweihe in Hünfeld. Nach seiner Zeit als Kaplan und Schulseelsorger in Zwickau (2008 bis 2011) kehrte er nach Hünfeld zurück, unter anderem als Novizenmeister und Beauftragter für Berufungspastoral. Ab Januar 2021 war er Rektor im Kloster Mariengarden Burlo und Schulseelsorger am Gymnasium Mariengarden wurde. Seit Juni 2023 ist er Superior im St. Bonifatiuskloster Hünfeld.

Was bedeutet für Sie erfülltes Leben?

Erfülltes Leben bedeutet für mich, dass mein ganzes Leben Sinn ergibt. Nichts ergibt für mich mehr Sinn, als mein Leben in den Dienst dessen zu stellen, der mich ins Leben gerufen hat und darin erhält und mir Tag für Tag seine Liebe zeigt.

 

Was bedeutet für Sie Berufung?

Ich spüre einen Ruf, den Gott in mich hineingelegt hat. Eine Berufung ist auch eine Antwort auf eine Not. Und als Oblate ist man dazu berufen, den Glaubensdurst, den Menschen haben, zu stillen.

Als ich meine Berufung entdeckt habe, war jede Alternative nicht mehr attraktiv. Ich hätte in einem anderen Beruf auch etwas beitragen können für die Gesellschaft. Ich hätte meinen Glauben leben können. Aber nicht zu 100 Prozent. Als Oblate widme ich mein Leben ganz einem Thema– den Armen das Evangelium zu verkünden, das Reich Gottes zu verbreiten.

 

Wie hat sich Ihre Berufung entfaltet?

Ich bin als jüngstes von vier Kindern in eine katholische Familie hineingeboren worden. Der Sonntagsgottesdienst war selbstverständlich, ich war auch Ministrant, auch öfter unter der Woche. Und so wurde ich gefragt, ob ich mir vorstellen kann, Priester zu werden. Konnte ich nicht. Vor allem, weil ich sehr schüchtern war. Und ich konnte es mir auch nicht vorstellen, allein in einem Pfarrhaus zu leben.

Meine Haltung hat sich durch einige Erfahrungen geändert: Die erste war die Krankheit meiner Mutter: Als ich in der 10. Klasse war, erhielt sie die Diagnose Darmkrebs. Daran ist sie gestorben. Aber sie hat die Menschen, die zu ihr ans Sterbebett gekommen sind, getröstet. An ihr habe ich erlebt, welche Kraft im Glauben steckt. An ihr ist für mich Auferstehung greifbar geworden.

Auf dem Weltjugendtag 2000 habe ich Pater Martin Wolf kennengelernt. Damals war ich auch beichten – auch Dinge, die ich bis dahin vor meinem Heimatpfarrer nicht aussprechen wollte. Das war ein Moment, an dem sich alle Ketten von meinem Herzen gelöst haben.

Ein halbes Jahr nach dem Weltjugendtag ist meine Mutter gestorben. In dem nächsten halben Jahr kam dann immer wieder der Gedanke in mir auf Priester zu werden. Ich habe das immer weggeschoben, da ich annahm, dass mir die Talente dafür fehlen.

In der Zeit bin ich mit meinem Bruder nach Lourdes gefahren, auf eine Wallfahrt als Begleiter für Behinderte. An einem Abend war ich für einen Mann zuständig, der keine Arme hatte. Es war meine Aufgabe, ihn bettfertig zu machen. Der Mann hatte mich schon vorher als Ministrant gesehen in der internationalen Messe. Und er hat mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, Priester zu werden. Da sprach jemand etwas aus, was in mir war.

Ich war in Lourdes und dachte: Sollte mich morgen noch mal jemand fragen, dann wäre das doch ein Zeichen. Und am nächsten Tag hat mich der gleiche Mann noch mal gefragt.

Ich war froh, dass ich damals Pater Wolf schon zugesagt hatte, in Hünfeld Aktiv-Urlaub zu machen. In der Woche hatte ich keine Gelegenheit mit ihm zu sprechen und habe mir gesagt: Das ist ja auch ein Zeichen. Damit war das Thema für mich abgeschlossen. Nachdem ich am Ende der Woche beichten war, hat Pater Wolf  mich gefragt, wie es denn bei mir weitergeht. Ich würde in der Firma nach der Ausbildung wohl übernommen und würde da weitermachen, habe ich ihm erklärt. Pater Wolf: Und dann? In dem Moment habe ich verstanden: Das reicht mir nicht für den Rest meines Lebens. Ich möchte mein Leben ganz Gott geben. Für mich war auch klar: Wenn ich das mache, dann als Oblate. Denn ich fand die alle cool. Ich habe mich entschlossen ins Noviziat einzutreten. Die Ausbildung habe ich aber noch zu Ende gemacht.

In all den Jahren habe ich die Berufung auch infrage gestellt – ich bin aber immer wieder zum Ergebnis gekommen: Das ist mein Weg. 

 

Welche Herausforderungen haben Sie auf Ihrem Weg erlebt?

Häufig habe ich mich gefragt: Kann ich das wirklich leben. Ich habe befürchtet, dem Anspruch nicht gerecht zu werden. Es war eine Herausforderung zu erkennen: Ich muss nicht als Heiliger eintreten – aber ich muss bereit sein, es werden zu wollen.

 

Wie gehen Sie damit um, wenn Zweifel an Ihrer Berufung aufkommen?

Ich öffne mich und schaue mit meinen Oberen, Begleitern und Mitbrüdern, wie es weitergeht, wie ich daran wachsen kann. Ich halte es Gott hin und lasse mich von ihm stärken.

 

Können Sie von einem besonderen Moment berichten, die Ihre Berufung gestärkt hat?

Als ich in Hünfeld eingetreten bin, war ich fast ein halbes Jahr einfach glücklich. Und ich konnte mir beim wachsen zu sehen. Ich habe etwa Kleingruppen moderiert – das hätte ich früher nie gemacht. Die Berufung hat mich zu einem besseren Menschen gemacht.

Bei der Aufnahme ins Noviziat bekommen wir ein kleines Kreuz. Ich habe gedacht: Das gebe ich nie wieder her. Bei den ewigen Gelübden habe ich gespürt: Gott ist mir ganz nah; es beten Menschen für dich, hier und an anderen Orten.

 

Inwiefern beeinflusst Ihre Berufung Ihr tägliches Leben und Beziehungen?

Schon vor meinem Eintritt wurde mir am Ende meiner Berufsausbildung auf einmal ein großes Vertrauen entgegengebracht, weil ich gesagt habe, ich will Oblate werden. Menschen haben mir auf einmal persönliche Dinge erzählt und mich um Rat gefragt. Ich schien durch die Entscheidung an Kompetenz gewonnen zu haben.

 

Welche Rolle spielt die Gemeinschaft bei der Bestärkung Ihrer Berufung?

Ich kann es mir bis heute nicht vorstellen, Diözesanpriester zu sein. Bei aller Verschiedenheit gibt es etwas, das mich mit den Mitbrüdern verbindet. Nicht nur in unserer Kommunität, sondern auf der ganzen Welt.

 

Welche Aspekte der kirchlichen Lehre oder Tradition haben Ihnen geholfen, Ihre Berufung zu verstehen und zu vertiefen?

Als ich einmal verzweifelt war über die eigene Unzulänglichkeit, hat mir die Geschichte des Volkes Israel geholfen: Gott ist dem Volk treu, obwohl es sich immer wieder von Gott abwendet. Das ist für mich eine Geschichte der Barmherzigkeit Gottes.

 

Was verstehen Sie unter Berufungspastoral?

Berufungspastoral beschäftigt sich mit der Frage: Was ist die tiefe Sehnsucht in diesem Menschen, der zu mir kommt.

Das Gespräch führte Maximilian Röll