Glauben in der heutigen Zeit

Mehrere Videoschnittprojekte in einer Woche, dazu noch das Management eines Social Media Accounts, mal ein Projekt hier und eine Aktion da und nebenbei auch noch die Schule und das Abitur. Die Wochen von Joel Heil-Escobar sind immer gut gefüllt. Der 17-jährige Schüler aus Gensungen (Hessen) geht in Fritzlar auf die Ursulinenschule und hat nebenbei immer was zu tun. Wie voll seine Tage sind, was er alles macht und wie er bei diesen vollen Tagen neben allen Verpflichtungen und der Schule noch seinen Glauben integriert, hat er mir erzählt.

Was machst du neben der Schule sonst noch für Aktivitäten?

Neben dem Unterricht und der Zeit zum Lernen, bin ich in verschiedenen Projekten im Schnitt von Videos und Podcasts tätig und programmiere Apps. In der Coronazeit hat sich das Hobby schnell zum Beruf entwickelt, da die Nachfrage vor allem zu Videoschnitt sehr hoch war. Mir macht es Spaß und ich habe mehr Flexibilität, als in einem klassischen Schülerjob im Gastronomiebereich oder Einzelhandel.

Wenn die Nachfrage sehr hoch ist, und es zu einer Art Job geworden ist, wie gut bekommst du es dann mit den Aufgaben der Schule vereint? Immerhin willst du nächstes Jahr dein Abitur machen.

Aktuell sind es im Prinzip zwei feste Jobs, die ich habe und der Rest läuft auf Freelancer Basis zeitlich sehr flexibel. Dadurch habe ich mein festgelegtes Kontingent von sieben Stunden für ein Startup, für welches ich Videos und Podcasts schneide, sowie nochmal ca. fünf Stunden für den Social Media Account eines Möbelhauses. Den Rest mache ich flexibel, so wie es gerade die Schule, Klausuren und Hobbies zulassen. Wichtig ist es aber, dass ich mir den Tag nicht bis 24 Stunden zuknalle, sondern mir am Vortag bzw. meistens schon am Montag fest vornehme welche Task ich an welchem Tag machen werde. Reclaim.ai kann dort sehr hilfreich sein, um die Tasks im Kalender zu managen oder sonst eben altmodisch jedes andere Kalendertool.

Wie sieht ein normaler Tag oder eine Woche für dich aus?

Ich versuche um 6 Uhr aufzustehen und frühstücke entspannt mit den neuesten Nachrichten des Tages. Um 7 Uhr fährt der Bus, wodurch also schonmal ein klarer zeitlicher Rahmen da ist. Die Schule geht meistens von 7:55 Uhr bis 15:15 Uhr und in dieser Zeit liegt bis auf kleine Sachen in der Mittagspause die Arbeit auch still. Die Stunde Bus pro Tag nutze ich, entweder um entspannt Musik zu hören, zu schlafen, zu lernen oder doch nochmal eine Nachricht zu versenden. Am Nachmittag sind dann die geplanten Aufgaben dran. Das kann auch schonmal bis abends gehen.

Und wie sieht es aus, wenn sich Projekte überschneiden und/oder gerade eine Klausurphase ansteht?

Dann muss man es ganz transparent schreiben und klar sagen, dass man aktuell nicht so viele Kapazitäten frei hat. Die meisten sind dann sehr tolerant, wenn man sagt, bis wann die Aufgaben fertig sein werden. Und seien wir mal ehrlich: Man lernt auch in der Klausurenphase keine 8 Stunden am Tag. Wichtig ist es aber auch den Überblick zu behalten und die Aufgaben schonmal so abzuarbeiten oder vorzubereiten, dass man in Wochen mit vielen Klausuren eben nicht mehr so viel anderes zu tun hat. Manchmal bricht aber auch der Himmel über einem ein und es läuft beispielsweise der Export schief. Dann muss man trotzdem in den sauren Apfel beißen und eine extra Schicht einlegen.

Das hört sich nach viel Arbeit an, und ich kann dieses Pensum nachvollziehen. Ich hoffe, das kommt nicht allzu häufig vor?

Bei guter Planung läuft der Alltag sehr geschmeidig. Dann bekommt man alles gut voll und hat noch Zeit für Sport, Familie und Freunde. Es kommt immer sehr darauf an, wie sehr die Arbeitgeber einem vertrauen. Dann läuft das von der Aufgabenverteilung und der Flexibilität auch so, dass alle zufrieden sind und nicht alle fünf Sekunden nachgehakt wird.

Welche Rolle spielt der Glaube in deinem Leben und wo hast du die meisten Berührungspunkte mit ihm?

Ich würde mich nicht als radikalen Katholiken bezeichnen. Ich bin in vielen Ansichten auch deutlich liberaler angehaucht als es die Kirche ist. Trotzdem ist der Glauben ein wichtiger Teil meines Lebens. Besonders in Gemeinschaft mit anderen Jugendlichen macht es besonders Spaß und ist auch besonders wirksam diesen zu Leben. Veranstaltungen und Events wie Praise im Park und die Pfingstjugend Konferenz oder auch Konzerte von religiösen Musikern geben in Kombination mit tollen Predigten und geistlichem Input einige Male im Jahr einen Schub in meinem Glauben.

Ich bin der Meinung, dass es aber nicht unbedingt wichtig ist ein oder mehrmals die Woche in eine barocke Kirche zu gehen, um Glauben zu leben. Auf Reisen habe ich auch (katholische, sowie evangelische) Gemeinden kennengelernt, die Gottesdienst mit Spaß und wirklicher Überzeugung und nicht festgefahren gemacht haben. Da waren Bands, die gespielt haben, statt einer Orgel und Predigten, mit Geschichten die von Herzen kamen, statt „the same procedure as every year“.

Joel, du gehst ja auch auf eine katholische Schule. Inwiefern hat dieser Umstand etwas mit deinem Glauben zu tun?

Auch, wenn das das Bistum vermutlich nicht hören möchte, nicht so viel, wie man es eigentlich erwarten würde. (Lacht) Ich bin in einem religiösen Haushalt aufgewachsen, wodurch das schon immer ein Teil war. Die kirchlichen Themen, wie die Gottesdienste zu den großen Feiern haben sich gut in den Schulalltag eingegliedert und es macht Spaß, mit anderen Jugendlichen dort Musik zu machen. Wir sind aber nicht dazu verpflichtet sieben Mal am Tag in die Klosterkirche zu gehen und zu beten, wodurch sich das im Rahmen hält.

Wie integrierst du deinen Glauben und deine Vorstellung von Glaubensleben in deinen am Anfang thematisierten vollgepackt Tag?

Wie am Anfang schon besprochen lebt mein Glauben vor allem aus Gemeinschaft und religiösen Events, die durch die Intensität immer einen langen “Schub” in meinem Glaubensleben geben. Meistens bete ich eine Runde abends und lasse den Tag Revue passieren. Das hilft mir mit vielen Herausforderungen und Problemen im Job und auch im persönlichen Umfeld fertig zu werden und nochmal ausführlicher in die Selbstreflektion zu gehen, die häufig im Alltag untergeht.

Denkst du, dass dich dein Glaube bei deinen vielfältigen Tätigkeiten in irgendeiner Weise beeinflusst?

Ich bete zum Beispiel zu Gott, dass die Klausuren gut ausfallen. (Lacht) Jetzt aber mal ernsthaft… Das, was ich bei den angesprochenen Events lerne, das zugehen auf Leute und die unkomplizierte Kommunikation, prägen mich. Es ist auch die Herangehensweise an Probleme oder Herausforderungen, das Wissen um eine Kraft, die man immer und überall dabeihat und die für dich da ist, welche mich in meinem Alltag beeinflussen. Es ist also nicht unbedingt die aktivste Tätigkeit in meinem Alltag, aber eine wichtige, um Kraft zu schöpfen.  

Vielen Menschen geht es so, dass ihr Tag immer voller wird. Da noch Platz für den Glauben und Gott zu finden ist eine Herausforderung der heutigen Zeit. Jeder hat seinen eigenen Weg und Joels durften wir heute kennenlernen. Vielen Dank Joel, für deine Bereitschaft mit uns über deinen Tag und deinen Glauben zu reden. Der Glaube ist also ein wichtiger Teil, um Kraft für den Rest des vollen Tages zu schaffen. Er ist nicht gerade der aktivste Teil eines jeden Tages, aber er prägt uns. Das fasst es ganz gut zusammen und bildet ein schönes Schlusswort.

Ein Interview von Jakob Köhler (2022)